SOUNDNESS ART –
HEILSAME KUNST – (HEI-KU)

Ein Manifest

"Es ist fast nicht möglich, unverhüllt die schmutzige Wirklichkeit zu sehen, ohne selbst darüber zu erkranken. [...] was das Allgemeine betrifft, so hab' ich Einen Trost; daß nämlich jede Gärung und Auflösung entweder zur Vernichtung oder zu neuer Organisation notwendig führen muß. Aber Vernichtung gibt's nicht, also muß die Jugend der Welt aus unserer Verwesung wiederkehren. [...] Ich glaube an eine zukünftige Revolution der Gesinnungen und Vorstellungsarten, die alles bisherige schamrot machen wird."

Aus: Brief von F. Hölderlin an Johann Ebel in Paris, 10. Januar 1797 - angesichts der Terrorherrschaft nach der Französischen Revolution von 1789

Hat der visionäre Dichter Friedrich Hölderlin mit diesen Zeilen vielleicht unsere Zeit gemeint? Es spricht einiges dafür, wir wollen seine Worte beherzen, daraus Mut schöpfen und für diese Revolutionen der Gesinnungen und Vorstellungsarten einstehen! Wir sind der Überzeugung, dass sich die notwendigen Bewusstseinsentwicklungen, die unsere Menschheit braucht, um respektvoll, nachhaltig, in Frieden und im Einklang mit der Natur zu co-existieren, mit Schöngeistigkeit und Philosophie, mit inhaltsstarken, kathartischen und konstruktiven Formen von Kunst und Kultur erforschen und vermitteln lassen.

Dieses Potenzial finden wir besonders in klassischen Texten, denen in unserem Konzept ein großer Stellenwert beigemessen wird. Diese wollen wir mit einfachen szenischen Mitteln - dem "Schönen, Wahren, Guten" dienend - mit be-geisterten wie bekannten Schauspielern neu lesen und beleuchten. Es ist das Balancieren auf einem Hochseil: Das individuelle Gleichgewicht mit dem Ganzen ist hier ein sehr dynamischer und lebendiger und erzählenswerter Prozess. Diese Haltung kann nur im Fluss des Lebens ausgeübt werden, die einzige Konstante ist hier die Bewegung und Kairos, der ewige Augenblick und die ewige Einzigartigkeit. Hans-Peter Dürr, der die Eigenverantwortung des Einzelnen für das Ganze als eine entscheidende Aufgabe des Menschen sah, stellte fest, dass die Fähigkeit, sich bewusst dieser Sensibilität zu stellen, den Künstlern und Musikern besonders zu eigen ist und eine Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der Menschheitsfamilie darstellt.

Deshalb erachten wir Theater, das auf die wesentlichsten Mittel reduziert ist, gesprochenes Wort, gelebte Musik und Live-Zeichnung als wirklich elementare Durchleuchtungen des Lebendig-Seins, wenn diese künstlerischen Ausdrucksformen mit der beschriebenen inneren Haltung umgesetzt werden.

Dabei geht es uns besonders um ein "Theater der Nahbarkeit" (siehe den unten eingefügten Auszug aus einem Artikel von Hanno Rauterberg / DIE ZEIT). Sich in Zeiten der Transformation in Resonanz mit dem Schönen Wahren Guten zu begeben, sich diesen hohen Zielen der Metaphysik zuzuwenden und sie in Texten von Schiller, Hölderlin, Büchner bis hin zu zeitgenössischen Erstlingswerken im Geiste dieser Haltung zum Klingen zu bringen, neu zu lesen und szenisch zu beleuchten, erscheint uns eine produktive, sinnreiche und zukunftsorientierte Haltung. Unsere Devise ist hier Klarheit, Schönheit und Liebe.

Die heutige Menschheit ist Sterbebegleiter und Geburtshelfer in einem. Wir sind uns bewusst, dass Kunst und Kultur durchaus starken Einfluss nimmt auf ihre Umgebung. Wir wollen diesen Einfluss mit lebensbejahenden, Mut machenden Vorzeichen ausüben und unser Unterscheidungsvermögen schärfen.

Wir wollen erneut, mit aktuellem Wissensstand, den großen Fragen des Lebens nachgehen, jenseits aller Ideologien, die uns als Denkgrenzen präsentiert werden: Woher kommen wir? Wie können wir ganzheitlich, respektvoll, nachhaltig im Einklang mit der Natur zusammenleben?


Wir wollen erneut, mit aktuellem Wissensstand, den großen Fragen des Lebens nachgehen, jenseits aller Ideologien, die uns als Denkgrenzen präsentiert werden: Woher kommen wir? Wie können wir ganzheitlich, respektvoll, nachhaltig im Einklang mit der Natur zusammenleben? Wie können wir konstruktiv, dem Leben zugewandt, gewaltfrei die Glaubenssätze und Paradigmen unserer heutigen Gesellschaft hinterfragen? Und welche Mittel stellt uns die Bühne für diese Forschung zur Verfügung? In unserem Verständnis sind die Künste Wiederspiegelungen des Lebens und Strebens der Menschen im Spannungsbereich von Natur und Kultur.

Es geht um Entschleunigung, vertiefte Auseinandersetzung und Schöngeistigkeit im eigentlichen Sinne des Schönen Wahren Guten, nicht nur um schöngeistige Unterhaltung. Wir nennen dies Soundness Art, heilsame Kunst.

Eine ganzheitliche Haltung in der Kunst ist an sich schon eine politische Aussage, denn sie wirft den Ball der Erkenntnis und Ermächtigung jedem einzelnen zu und lädt die Zuschauenden dazu ein, bei sich selbst zu beginnen.

Wir wollen den Herausforderungen der Menschheit im Persönlichen begegnen. Mit unseren Programmen setzen wir der gefühlten wie weit verbreiteten Ohnmacht Selbstverantwortung und Selbstbewusstsein entgegen. Es geht uns darum zu vermitteln, dass die Arbeit am Selbst die Grundvoraussetzung ist, um Dinge auch im Großen zum Wohle aller zu bewegen. Diese Arbeit am Selbst soll Teil unserer künstlerischen Aufgabe sein, sowohl in Form als auch in Inhalt, und wir halten das Theater als Versammlungsstätte für einen geeigneten Ort.

Besonders die Quantenphysiker des 20. Jahrhunderts haben des öfteren betont, dass die Physik/Wissenschaft in den großen Fragen des Lebens nur in Gleichnissen zu sprechen vermag. Daher wählen wir als Kunstschaffende und Kunstvorlebende die Ebene der Gleichnisse, die uns über die Geschichten und die Poesie geschenkt werden - als Einstieg in die Innenschau, die wir als Voraussetzung für die Arbeit am Selbst betrachten.

Unser Anliegen ist es, Kunst und Wissenschaft, Herz und Verstand und die Menschen, die sich diesen unterschiedlichen Bereichen widmen, zusammen zu führen und so in ein Gleichgewicht zu bringen. Denn Herz ohne Verstand führt zu Fanatismus und Verstand ohne Herz zu Ideologie und Manipulation. Wir haben es selbst in der Hand, uns um dieses für ein friedfertiges Zusammenleben so notwendige Gleichgewicht zu kümmern. Und die Künste, die dem Schönen Wahren Guten gewidmet sind, sind dafür prädestiniert.



Wir beobachten mit Besorgnis, dass der Marktradikalismus die Kunst- und Kulturstrukturen infiltriert, zunehmend vereinnahmt und zerstört. Wir suchen Theaterbühnen, Institutionen, Partner, Kultur- und Lebensgemeinschaften, denen der positive Möglichkeitsraum durch die Kunst bewusst ist und die sich am Wandel beteiligen wollen.

Den Schutzraum für eine kreative Arbeit zu entfalten, die den höchsten Idealen der Demokratie entspricht und damit keine Denkverbote kennt, die sich sogar offen für das "Andersdenken" einsetzt, empfinden wir als wesentlichen Bestandteil unseres Auftrags.

Nach vielen Jahren Bühnenerfahrung, mit einem großen Schatz an eigenen Formaten und Projektideen, einem umfangreichen Netzwerk von Schauspielern, Theatermachern, Musikern und bildenden Künstlern, mit Leitungserfahrung komplexer kollektiver Prozesse und mit der Grundlage einer langjährigen gemeinsamen kreativen Zusammenarbeit, laden wir interessierte Institutionen, Körperschaften und Einzelpersonen ein, mit uns zusammen spezifische Projekte, Formate, Veranstaltungen und Visionen zu komponieren und realisieren. Wir sind offen, das revolutionäre Potential der klassischen und schönen Künste im Lichte des 21. Jahrhunderts mit IHNEN/EUCH zu entfalten und wir freuen uns über das Weiterweben unseres Netzwerks des Wandels.

Lassen Sie sich von FREIES.FELD inspirieren und kontaktieren Sie uns, um über Ihre Wünsche und Träume zu sprechen. Da wo Du gehst, da ist der Weg!

Hans Kremer und Isabelle Krötsch, Zürich im Januar 2018

Aus: Im Kugelhagel der Realität von Hanno Rauterberg, DIE ZEIT 24. Januar 2017

„Was also bleibt den Künstlern? Natürlich steht es ihnen frei, an den gewohnten Negationsstrategien festzuhalten, weil sie anders negieren, anders provozieren als die Populisten. Doch wie weit führt ein Programm der Verstörung in einer Welt, in der ohnehin nichts mehr fest und gefügt zu sein scheint? Wozu Grenzüberschreitung, wenn die Gegenwart kaum mehr Grenzen kennt?
Eine neue Ästhetik der Nahbarkeit - Obwohl gerade die bildende Kunst einen Pakt mit den Interessen des Kapitals geschlossen hat, hält sie weiter an ihrem alten Selbstbild fest. In weiten Teilen pflegt sie noch immer eine Ästhetik der Irritation, der kalten Düsternis, der Zerrüttung und liebt vor allem das Banale und Vorläufige. Wer hingegen davon abweicht, wer als Künstler bekennt, er wolle lieber auf belebende Weise tröstend wirken, auf eine friedvolle Art erheiternd, wolle gar nach Formen der Stärkung suchen, der wird von der Szene in der Regel verlacht. In einem Land, in dem zwei Diktaturen auf die Kunst zugriffen, um sie als beglaubigende Macht zu instrumentalisieren, fällt es verständlicherweise schwer, sich eine andere als eine prinzipiell querulatorische Ästhetik vorzustellen. Begriffe wie Anmut oder Liebreiz, erhabenes Staunen oder Ergriffenheit liegen wohlverwahrt in der Mottenkiste, warnend steht obendrauf: Achtung, Kitsch!
Und es stimmt ja, wer den Deckel anhebt und die weithin vergessenen Mittel der ästhetischen Empfindsamkeit erproben will, der geht ein Wagnis ein. Vielleicht kommt am Ende nur wellnesshafte Streichel- und Schmeichelkunst dabei heraus. Vielleicht sind es nur ein paar Erbaulichkeiten und nichts, was ein ästhetisches Prickeln besäße. Und doch könnte es sich lohnen, den Schutzmantel der Branche, gewirkt aus dicker Ironiewolle und garantiert diskursbeschichtet, für einen Moment abzustreifen und zumindest versuchsweise das gängige Repertoire zu erweitern.

Ein Anfang wäre schon gemacht, wenn die Kunst sich eingestehen würde, dass die Welt nicht zu ändern ist, jedenfalls nicht im Hauruckverfahren und nicht von der Künstlerkanzel herab. Das heikle Spiel aus Reiz und Rührung entwickelt seine Kraft ja erst in Momenten der Nahbarkeit: sobald Menschen bereit sind, sich von der Kunst ergreifen zu lassen. Allein in einem solchen Augenblick der Nähe vermag sie vom guten Leben zu erzählen, erst dann erwacht jener Möglichkeitssinn, den die Gegenwart gerade so gut brauchen könnte.


Das mag sich vage anhören, aber wie sollte es anders sein? Welche Formen, Farben, Klänge eine neue Ästhetik der Nahbarkeit hervorbringt, das weiß nur die Kunst. Eines aber lässt sich mit Bestimmtheit sagen: Wenn das schlechte Leben eines ist, in dem die Welt leer erscheint, farblos und taub, als eine Welt, in der sich der Einzelne überflüssig wähnt und nicht anerkannt, kann die Kunst ein Gegenbild bieten. Sie kündet auf ihre Weise davon, wie sich der Mensch auf die Welt einzulassen vermag, wie er sie formen, wie er sie als berührbar und beweglich erfahren kann. Und sie zeigt zugleich, dass die Frage nach dem guten Leben keine ist, die sich privatisieren ließe. Denn Kunst ist ja in ihrem Grundcharakter immer beides: sehr intim und sehr öffentlich. Sie verdankt sich Einzelnen, hofft aber auf die Anteilnahme vieler. Vor allem aber verkörpert sich in der Kunst die Vorstellung, dass gelingendes Leben nicht auf materielle Güter allein baut. Und dass die Welt also nicht ausschließlich von ökonomischen und politischen Mächten beherrscht wird."