Für dieses musikalisch-literarische Hörbuch fanden sich zwei Inspirationsflüsse im Kollektiv von Esther Schöpf (Violine, Viola, Stimmklang), Norbert Groh (Klavier, Akkordeon, Percussion), Hans Kremer (Sprache) und Isabelle Krötsch (Gestaltung und Regie) zusammen.
Esther Schöpf und Norbert Groh verbindet eine langjährige künstlerische Zusammenarbeit. Ihr breit gefächertes Repertoire spannt den großen Bogen von der klassischen Konzertliteratur bis zu Werken der sogenannten leichten Muse (Wiener Caféhaus- und Salonmusik, Tango, Klezmer). Damit gestalten sie zahlreiche Programme in Kombination mit Literatur, Tanz und Malerei. Zusammen mit dem Erzähler Wolf Euba führten sie in München „Peer Gynt" als Lesung mit Musik auf - seither blieb der Wunsch, diese Arbeit weiter zu vertiefen. Dieses vorliegende Ergebnis ist auch eine Hommage an diese wunderbare Zusammenarbeit.
Hans Kremer begleitet der Stoff schon seit 1985, als er in der Eröffnungspremiere von Jürgen Flimm am Thalia Theater Hamburg den Titelhelden verkörperte. Knappe 35 Jahre später bewegt ihn die Geschichte des inneren wie äußeren Lebensweges weiter als eine der beeindruckendsten Theatermetaphern für die Entwicklung vom ICH zum SELBST. Hans Kremer und Isabelle Krötsch leben und arbeiten seit 2008 zusammen und gründeten in München den ART MEETS SCIENCE -Salon FREIES.FELD.
2012 trafen sich die beiden Künstlerpaare und es entspann sich ein reger kreativer Austausch, der sich von gemeinsamen Interaktionen im Salon über die transdisziplinäre Werk- und Begegnungsstätte DantonDenkRaum, der konzertanten Aufführung von „Entführung aus dem Serail" von W. A. Mozart mit Live-Zeichnung bis hin zur letzten CD Präsentation von Esther Schöpf und Norbert Groh's BEGEGNUNGEN erstreckte, in der Hans Kremer Texte zu den Telemann'schen Tugenden vortrug. Mit der Begegnung dieser beiden Künstlerpaare hat sich ein schier unendlicher Möglichkeitsraum des kreativen Austauschs eröffnet. Bereits seit den ersten Treffen stand Peer Gynt im Raum und wartete auf KAIROS, den rechten Augenblick.
Als sich nun anbahnte, dass PEER.GYNT – LAUT.MALEN auf der Experimental-Bühne am Schauspielhaus Zürich entwickelt werden könne, stand der CD Produktion nichts mehr im Wege. Obschon Hans Kremer in der Live-Performance alle Rollen in Interaktion mit Musik und Live-Zeichnung verkörpert, wünschte sich das Kollektiv für die Hörbuch Perspektive eine weibliche Stimme, nicht nur für die weiblichen Rollen des Epos. In der Schauspielerin Minni Oehl fanden sie eine wundervolle Partnerin, die sich in das vertraute Wirken und Weben des Kollektivs bestens einfand.
Esther Schöpf und Norbert Groh zeichnen sich verantwortlich für den musikalischen Inhalt, der auf der Bühnenmusik Edward Grieg's zu Peer Gynt aufbaut und mit zahlreichen eigenen Improvisationen ein inniges, musikalisches Netzwerk für die Textfassung webt. Diese haben Hans Kremer und Isabelle Krötsch ausgehend von der Theaterfassung von Peter Stein und Botho Strauß aus dem Jahr 1971 speziell für die Hörbuchaufnahme entwickelt. Um dem Riesen-Epos für eine annehmbare Hörbuchlänge von 169 min. Herr zu werden, wurde der Text stark gekürzt. Eine Erzählspur verwoben, die leicht verändert und etwas eingestrichen, die in diesem vorliegenden Werk das erste Mal „autorisiert" in der Öffentlichkeit erscheint. Sie war Bestandteil des beeindruckenden Programmbuches der Schaubühne am Halleschen Ufer, wo die Stein/Strauß Bühnenfassung 1971 das Licht der Welt erblickte. Jedoch war die „Fabel" darin nicht signiert. Kremer-Krötsch vermuteten richtig: Sie stammte aus der Feder von Botho Strauß, der dem Team in großartiger Weise für diese Bearbeitung in Hörbuchform und szenischer Lesung mit Live-Zeichnung, die Erlaubnis erteilte, seine „Fabel" zu verwenden. Dafür sei ihm an dieser Stelle von Herzen gedankt.
In der Aufnahmezeit drückten sich Musiker und Sprecher die Klinke des Studios in die Hand und kamen für einige ganz besondere Passagen zusammen, die im Voraus schon eine Ahnung geben von der Intensität der Live-Interpretation. Seither verwoben der Aufnahmeleiter Thomas Beckenbauer und Isabelle Krötsch diese vielfältigen Ebenen zu einem innigen Verband.
So liegt denn auch der Schwerpunkt auf dem philosophischen Aspekt des visionären Gedichts von Henrik Ibsen. Die feinsinnige Komposition zwischen der beeindruckenden Musik von Edward Grieg, die hier auf Klavier/Akkordeon und Violine/ Viola übertragen eingespielt wurde, wie auch die eigens für die Einspielung entwickelten Musikstücke von Esther Schöpf und Norbert Groh mit dem vielschichtigen Text nach Henrik Ibsen, eröffnen für den Hörer einen inneren Reflexionsraum. Ein Raum, der anspruchsvoll und unterhaltsam zugleich sein darf.
Diese ganzheitliche Perspektive in der Hörbuch-Fassung wie auch in der szenischen Umsetzung desselben Teams, verdichtet die Wahrnehmung auf das Wesentliche. Es scheint nicht von ungefähr, dass „Peer Gynt" als nordischer Faust bezeichnet wird, denn unter gesellschaftlich politischen Gesichtspunkten enthält er ähnlich dem Faust II eine Art Vermächtnis: Ein Symbol, das so einfach und pur es ist, oft in der Opulenz der Inszenierungen unter den Tisch fällt. Dabei verliert in diesem Werk weder der spirituelle noch der politische Kern der Geschichte an Dichte, und wie bei allen großen Würfen der Weltliteratur ist es doch das ganz Individuelle, Persönliche, Nahe und Universelle zugleich - die Liebe -, die alle Vernichtungen aufzuheben vermag, und sei es nur für einen Augenblick. In diesem, so weiß uns Ibsen auf poetischste Weise zu vermitteln, steckt die Ewigkeit, die durch das Gewand der Gegenwart in unser Sein schlüpft und bleibt. So wählt das Quartett denn auch hier einen besonderen Schluss, der dem Zuhörer wieder das Zepter des Augenblickes in und an die Hand gibt.
PEER.GYNT
nach Henrik Ibsen und Edvard Grieg
Eine Reise vom Ich zum Selbst
Musikalisch-Literarisches Hörspiel
Mit Musik von Esther Schöpf und Norbert Groh
Gesprochen von Hans Kremer und Minni Oehl
Regie und Gestaltung: Isabelle Krötsch
Bearbeitete und gekürzte Fassung von Peter Stein und Botho Strau? unter der Verwendung der Übersetzung von Christian Morgenstern und Georg Schulte-Frohlinde; mit freundlicher Erlaubnis von Botho Strauß für die Einflechtung seiner Fabel zu Peer Gynt aus dem Programmbuch der Schaubühne am Halleschen Ufer 1971.
Onion Crown (Titel): Lisa Banks www.bosslisa.com/pages/peer-gynt
Collagen: Isabelle Krötsch
Photos: Isabelle Krötsch und Manu Theobald
Aufnahme: Thomas Beckenbauer
Musik: Esther Schöpf und Norbert Groh
Sprache: Hans Kremer und Minni Oehl
Regie und Gestaltung: Isabelle Krötsch
CD-Gestaltung: www.rosepistola.de
Label: www.stringendomusic.de