Bewusstsein & Bühne

2012 - 2015

Konzept der Ausstellung „Bewusstsein & Bühne / Scène & Conscience"

Es ist dies wohl ein ungewöhnliches Thema für eine Ausstellung und einen Werkkomplex!
Die Künstlerin Isabelle Krötsch arbeitete ursprünglich als Bühnenbildnerin, zudem ist sie im privaten Umfeld mit dem Theater und der Schauspielkunst sehr befasst und verbunden. Daraus entstehen vielfältige Perspektiven auf den Dialog von Wort und Bild, Klang und Raum, etwa auch das Format LAUT.MALEN oder andere Formen der In Szene Setzung. Zum Beispiel läuft auch gerade ein Film des Künstlerpaares Kremer I Krötsch im Kino.
Im Gespräch über ihre Projekte und im Studium von Kulturaktionen wie Ausstellungen waren die Bedeutung des Wortes, der Texte deutscher Klassiker der Literatur und die Liebe zur Philosophie wie Fragen zur Literaturrezeption offenbar geworden. Und so war die Idee geboren, eine Ausstellung im Europäischen Patentamt diesem Querbezug zu widmen, nämlich die Bühne als zentrales Element des Theaters dem Bewusstsein, dem Prozess des Bewusst-Werden-Lassens gegenüberzustellen.

In ihren literarischen Projekten wurden ja gerade Sätze, Abschnitte der klassischen Literatur mit philosophischen Diktionen oder Geschichten nahtlos konfrontiert und so ein Geflecht ungewohnter Gegenüberstellungen erzeugt, das versprach, überraschende Zusammenhänge aufzudecken. Dieser geisteswissenschaftliche Ansatz ist experimentell. So auch Isabelle Krötschs Oeuvre der Malerei wie der Collagen. Sie entschloss sich, Werke ganz spezifisch in dem vertrauten Stil für diese Einzelausstellung zu schaffen, die so einen Brückenschlag zu ihrem Gesamtwerk schaffen, aus dem wir eine Entwicklung hier in dieser Schau den neuen Werken gegenüberstellen.

Dabei spann sie ideenreich den Gedanken einer Werkstatt auf dieser so geschaffenen Plattform, die frappierende Neukombination oder isolierte Hervorhebung von Schlüsselpassagen der Literatur und Philosophie, von kunsthistorischen und technischen Zitaten, von frei denkenden Individuen in ihrer Souveränität und Existentialität weiter.
Die Künstlerin bedient sich dabei einer offenen Raumkonzeption, die einem Bühnenbild ähnelt. Davor spielt sich die Werkstatt des Denkens ab. Es bauen sich Kameras und Fernsehschirme auf, es werden Profile und Porträts gleichsam wie in einer Gedankenwelt eingeblendet, es ergibt sich ein Strom von Farben und Strukturen, von Konkretem und Diffusem, als wollte sie dem spontan ablaufenden Gedanken- und Ideenprozess einen bildlichen Ausdruck verleihen. Die Bühne des Bildes erscheint nicht geordnet statisch, sondern experimentell im Fluss, gleichsam ein Werkraum der Ideen und Neukombinationen.

Diese intellektuellen Labors wollen Neues und Innovatives in den Köpfen der Betrachter auftreten lassen, wollen auf ungewohnte Zusammenhänge aufmerksam machen und Historisches wie Zeitgenössisches einer unmittelbaren Reflexion zuführen. Ist nicht ein solcher bildlicher Denkraum wie geschaffen für ein Zentrum der Erfindungen, der Weiterentwicklungen in allen möglichen anwendbaren Bereichen?
Isabelle Krötsch strukturierte das in emsiger und höchst kreativer Arbeit 2015 entstandene Oeuvre unter dem Titel der „Weltbühne", in Collagen und übermalten Collagen wie rein gemalten Bilder.
In den Werken der „Weltbühne" erzeugen Elemente weltbekannter Gebäude gleichsam eine bühnenhafte Staffage und verschmelzen zugleich mit den Zitaten der Kunstgeschichte und der Aussagekraft der Farbe und der Formen.

Die Technik der Collage fokussiert sich auf Ge-Schichten, etwa auf eine Literaturstelle, auf eine philosophische Weisung. Diesen wird zumeist der Abdruck eines anderen Urhebers aus originalen photographischen Vor-Bildern gegenübergestellt. So wird ein allumfassender und Zeiten übergreifender Geist durch Personen und Wort-Collagen manifest und erfahrbar gemacht. Die gemalten Arbeiten lassen eine Bühne in Form von Landschaften oder Architekturensembles offenbar werden, jedoch der Vordergrund entwickelt sich zum wahren, surreal erscheinenden Entwicklungslabor.

Die Arbeiten von Isabelle Krötsch strahlen eine vehemente Anziehungskraft aus. Dadurch ist der Betrachter animiert, mitzudenken, mitzusinnieren, mitzustudieren!
Er verlässt den Blickfang nur mit eigenen Assoziationen und Ideen, Entdeckungen und gedanklichem Gewinn.

 

München, im Juni 2015
Dr. Hermann Schifferer